«Heroine Chic», «SkinnyTok» oder «Almond Daughter»: Auf Social Media gibt es unzählige Begriffe, die das Dünnsein verherrlichen. Heute ist es aber nicht mehr so einfach, Frauen mit solchen Trends unter Druck zu setzen, wie noch in den 90er-Jahren.
Unter dem Hashtag #SkinnyTok veröffentlichen Influencerinnen Videos auf TikTok, in denen sie Tipps zum Abnehmen geben. Doch nicht nur das: Sie wiederholen auch Sätze, die als Mantras eingesetzt werden sollen, wenn man Hunger hat. Dazu gehören Aussagen wie: «Nichts schmeckt so gut, wie sich dünn sein anfühlt», einer der berühmtesten Quotes von Topmodel Kate Moss aus den 90er-Jahren, «Dein Magen knurrt nicht, er applaudiert dir» oder «Essen ist für dünne Menschen optional.»
@mareyasacia Drop the quotes!!!! #skinnytok ♬ original sound - Mareya | Lifestyle (normal)
Und diese Sätze finden Anklang. So liest man unter den Videos Statements wie: «Ich liebe SkinnyTok, endlich bin ich genug dünn, dass mein Crush mich anschaut» oder «Ich habe es geschafft, heute nur 200 Kalorien zu essen, ich bin bald eine Skinny Legend».
Wie gefährlich diese Ideale jedoch sind, ist dabei weder den Creators noch den Kommentierenden bewusst.
Wie «The Journal of Pediatrics» schreibt, gab es in den letzten Jahren weltweit einen signifikanten Anstieg von Essstörungen. Zwischen 2000 und 2018 haben sich Essstörungen in der Bevölkerung mehr als verdoppelt, von 3,4 auf 7,8 Prozent. Laut dem Bundesamt für Gesundheit sind in der Schweiz etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer Essstörung betroffen. Dazu zählen Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) und die Binge-Eating-Störung (Ess-Sucht).
Eine Studie der Cornwell University zeigte, dass dieser Anstieg mit der Verbreitung idealisierter Körperbilder auf Social-Media-Plattformen zusammenhängt. Dazu tragen etwa «Pro-Ana» oder eben auch Trends wie #SkinnyTok bei. «Pro-Ana»-Gruppen haben sich in den frühen 2010er-Jahren auf Tumblr und Twitter verbreitet. Der Name steht für «Pro Anorexie». In den Foren wurden Tipps gegeben, wie man so wenig wie möglich essen kann, ohne ohnmächtig zu werden.
Dass dieser Trend nun zurück ist, macht sich jedoch nicht nur auf Social Media, sondern auch im «realen» Leben bemerkbar. Daten von der «New York Fashion Week 2025» zeigen, dass dieses Jahr bereits signifikant weniger Plus-Size-Models auf dem Laufsteg standen, als noch im Herbst 2024. So waren von 3640 Looks auf dem Catwalk nur 23 Models plus-size. Das ist die Hälfte von den noch 46 plus-size Models im letzten Jahr. An der «London Fashion Week 2025» waren von 1600 Models 26 plus-size, während es 2024 noch 80 waren.
Doch dieser Trend wird nicht von allen gefeiert. Während in den 90er-Jahren bereits Kritik an der Skinny-Bewegung verübt wurde, ist diese heutzutage durch Social Media nochmal lauter. So posten auf TikTok und Co. unzählige Influencerinnen und Influencer Videos, die auf die Gefahren von #SkinnytTok hinweisen. Sie sprechen dabei über ihre eigenen Erfahrungen mit Essstörungen und sprechen sich für Selbstakzeptanz aus.
In vielen Videos dazu wird zudem betont, dass der Skinny-Trend nicht nur gefährlich, sondern auch frauenverachtend ist. Dabei wird oftmals eine Verbindung zur heutigen politischen Lage gemacht. Ein Essay der Bloggerin Jazmine Brown mit dem Titel «Babe, hör auf dir Sorgen um dein Gewicht zu machen, wir verlieren gerade unsere Rechte» ging dazu auf Threads viral und hat über 200'000 Aufrufe.
Darin beschreibt Brown, wie der Hyperfokus von Frauen aufs Dünnsein ein Instrument des Patriarchats ist, um Frauen von «echten Problemen» abzulenken. Sie schreibt, dass es kein Zufall ist, dass gerade jetzt dieser Trend zurückkommt: «Unser Wunsch, gesehen, geschätzt und dazugehörig zu sein, wird als Waffe eingesetzt, um uns zu erschöpft zu halten, um uns zu wehren.»
Sie schreibt, dass Essstörungen viel mit Kontrolle zu tun haben. Dies lässt sich auch wissenschaftlich bestätigen. Es gibt Studien, die zeigen, dass Personen mit Essstörungen häufig ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Kontrolle über ihren Körper haben. Oft stammt dies daher, dass Betroffene in anderen Bereichen ihres Lebens keine Kontrolle haben und darum durch die Kontrolle ihres Essverhaltens versuchen, das Gefühl der Kontrolllosigkeit in den anderen Lebensbereichen zu kompensieren.
Das beschreibt nun auch Brown in ihrem Beitrag und erklärt sich den Anstieg von SkinnyTok und Co. folgendermassen:
Trotzdem rät die Bloggerin ihrer Leserschaft, diese Angst nicht am eigenen Körper auszulassen, sondern sich stattdessen lokalpolitisch zu engagieren oder verbotene Bücher zu lesen.
Dem gegenüber sind gemäss BfS 43 % der Schweizer Bevölkerung übergewichtig oder adipös (2022). Und dies nicht bloss einmal im Laufe des Lebens. Beides sind Krankheitsbilder, die angegangen werden müssen. Interessant bloss, dass sich die kleinere Gruppe einem Bashing ausgesetzt sieht, während die andere Gruppe durch die Body Positivity-Bewegung nahezu geschützt wird.